Der Unfall ist nun bald 2 Wochen her. Ich bin nur wenig weiter gekommen. Leider existiert die EU nur auf dem Papier und ich muss mich mit einer Menge Papierkram herumschlagen. Leider ist meine Position nicht die beste. Man benötigt keinen Grund um mich wieder raus zu werfen sondern ich brauche gute Gründe um hier zu bleiben. Einige der Gründe sind zum Beispiel: Arbeit, Freundin oder finanzielle Rücklagen. Wenn ich mich nicht gerade mit dem Papierkrieg befasse genieße ich einfach nur die Stille hier draußen. Hänge am See rum. Lausche der Natur. Da es die letzten Tage wieder kälter geworden ist lassen sich auch diese verdammten Moskitos nicht blicken. Wenn ich kann helfe ich Sunny bei der Gartenarbeit oder ähnlichem. Anstrengend ist dass ich ständig Wasser holen muss. Über den Verbrauch von Wasser habe ich früher nie nachgedacht. Nun plane ich sorgfältig meine Eimer ein da ich jeden erst heranschleppen muss. Mit dem Fahrrad komme ich inzwischen ganz gut zurecht. Leider ist das Rad in einem mieserablem Zustand. Eigentlich hat es nur zwei Bremsen und sonst nichts. Kein Licht. Keine Gänge. Und alles ist irgendwie verzogen. Aber es fährt und inzwischen beklagt sich auch mein Hinterteil nicht mehr über die ungewohnte Fortbewegungsmethode. Dafür dass ich ca. 7 Jahre kein Rad gefahren bin ist das ganz in Ordnung.


(Bild: Meine Hütte eingerichtet)

Viel Zeit verbringe ich hier in der kleinen Bapistenkirche. Anders als in den Kirchen daheim trifft sich hier alles und jeder weil es im nahen Umkreis der einzige mögliche Treffpunkt ist – von der Pizzeria und dem Minisupermarkt gegenüber mal abgesehen. Die schließen beide auch schon früh während die Kirche immer geöffen ist. Ebenfalls befremdlich für mich dass sich hier vorwiegend gläubige Jugendliche treffen. Ich habe dort inzwischen eine Menge Leute aus den verschiedensten Interessengebieten kennen gelernt. Darunter einen Linuxfreak, einen Liverollenspieler und jede Menge Rockmusikhörer. Die meisten haben irgendwas mit der Musikschule (Naja.. Universität würde es besser treffen aber es ist offiziell eine Schule) ums Eck rum zu tun. Wir treffen uns fast jeden Abend im Aufenthaltsraum der Kirche. Da gibt es eine große Küche die man benutzen darf. So machen wir dort zum Beispiel unsere Pizza selbst während wir über ‘Gott und die Welt’ quatschen. Für mich ebenfalls interessant ist dass ich Kopiermaschine und Computer dort nutzen kann und nicht jedesmal in die Stadt selbst radeln muss. Vom Kontakt mit anderen Jugendlichen mal abgesehen.. hier gibt es nicht eine verdammte Kneipe und so nutze ich die Chance ein paar Menschen hier kennen zu lernen und nebenbei natürlich Fortschritte in der Sprache zu machen.


(Bild: Blick zum See)

Um Schwedisch zu lernen war ich gestern auch in der Stadtsbibliothek. Dort habe ich mir ein paar Bücher für Grundschüler 1. Klasse ausgeliehen – mit CD-Rom! (Mein Kassettenlaufwerk war ja im Autoradio.. haha). Ich bin inzwischen bei Kapitel drei und komme noch gut ohne Wörterbuch zurecht. Ein solches werde ich mir aber auch noch ausleihen denn ganz ohne mag es auch nicht gehen. Passendere Bücher konnte ich leider nicht finden. Mein entsprechender Wunsch war, wie immer, auch außerordentlich ungewöhnlich so weit im Norden. So gibt es nur tonnenweise Bücher um andere, nicht-skandinavische, Sprachen zu lernen. Nebenher trällere ich wieder ein wenig auf meiner Mundharmonika rum. Ich habe gerade zwangsläufig die nötige Zeit und Muße da ich ja selbst für den Internetzugang erst einmal aus der Hütte hier raus muss.


(Bild: Skrot – die Katze. Skrot bedeutet Schrottplatz)

Mit dem Minisupermarkt ‘Konsum’ in der Ortsmitte habe ich nun auch eine nahe Bezugsquelle für Nahrung und Kleinkram und muss nicht mehr bis ganz in die Stadt radeln. So ein Rucksack ist verflixt schnell voll und wiegt schwer beim Radeln. Mehr den jeh vermisse ich meinen Bus auf den Einkaufstouren. Sunny hat mir auf einer Skizze aufgemalt wo ich den Supermarkt finde und inzwischen habe ich auch die ganze umliegende Gegend mit dem Rad erkundet. Das ganze ist eine Art Wohnsiedlung bunt gemischt von Wohlhabenden mit umfassenden Gartenanlagen bis hin zu Mittelständischen in Wohnblöcken. Das ganze liegt direkt an den ganzen Seen hier. Ich wohne praktisch im Gebiet für Urlauber und Stinkreiche direkt über die Brücke auf einer vorgelagerten Inselgruppe. Und ich habe mindestens einen weiteren Bus-Liebhaber gefunden. Ein top gepflegter Syncro stand da in einer Hofeinfahrt. Bedingt durch die gehobene Wohngegend war man mir gegenüber in dem Viertel allerdings schon so misstrauisch dass ich noch nicht angeklopft habe. Das lasse ich lieber mal Carl, den Busfahrer der mir schon beim Umzug und beim Bergen meiner Sachen aus dem Wrack geholfen hat, machen. Der kann auch richtig Schwedisch 🙂

So.. es gibt Bilder von meinem neuen Domizil. Hier kann ich erstmal für ca. 4 Monate bleiben. Das ganze liegt sehr abgelegen direkt am See und 10 Minuten mit dem Fahrrad in die Stadt (will sagen: Zum Kneipenviertel). Sehr ruhig 🙂 Mein Nachbar ist eine Art Aussteiger der hier mit seiner Freundin und seinen ganzen Haustieren in der anderen Hütte wohnt und den Hof in Schuss hält. Sunny, meine Vermieterin, wohnt im Haupthaus. Da gibt es auch Internet. Den Platz haben Ulf und Marielle vorgestern Abend noch für mich klar gemacht. Nach einem kurzen Besuch wusste ich dass dieser Platz einfach perfekt ist. Der Bullifahrer Carl hat mir dann noch gestern fix geholfen meinen Kram aus dem Wrack zu bergen und in die neue Wohnung zu schaffen. Heute Abend kommt der Rest dran und dann bin ich zumindest einmal gut und günstig untergebracht 😀 Meine erste Tat heute früh war dann die Katze vom Hoftor zu retten. Irgend ein Fuchs hat die da rauf gejagt und runter kam die natürlich nicht mehr alleine.

Der Bus, für den wir heute knapp 100 Kilometer gefahren sind, war leider entgegen der Beschreibung ein einziges Wrack. Nähere Beschreibung spare ich mir mal lieber aber selbst die Karosse hat garnichts mehr getaugt. Höchstens geschenkt. Von Seiten des Steuerbüros gibt es leider auch nichts positives zu berichten. Ämter sind eben auch alle gleich 🙁 Mehr dazu ein andermal.

Und hier die Bilder:


(Bild: Meine Hütte)


(Bild: Wohnraum mit großer(!) Küche 🙂 )


(Bild: Blick über den Hof von meiner Haustüre aus)


(Bild: Schraubergrube! Fehlt nur noch ein neuer Bus!)


(Bild: Spielplatz in Piteå)

Per Luftpost aus Deutschland. Drin war meine internationale Versicherungskarte und die erfolgreiche Abmeldung meines nicht vorhandenen TV-Geräts bei der GEZ. Nur das mit dem Radio haben die immer noch nicht kapiert. Egal, immer dran bleiben. Dass ich meine Krankenkassenkarte (KKK!) am Freitag nicht gebraucht habe wird erstmal gefeiert 😀 Skål!

Nicht erschrecken 🙂

Das kommt davon wenn man beim Fahren ueber ne Menge Mist nachdenkt statt auf die Strasse zu guggen. Die Kurve ist wirklich böse. Laut der Feuerwehr haut es da im Jahr so ca. 7 Leute raus. Ich bin voll Richtung untergehende Sonne gefahren und war nicht bei der Sache. Das Ergebnis war dass ich die Kurve nicht richtig eingeschätzt habe. Nach der Kurve kam der Bus ins Schlingern und ich habe die Kontrolle verloren. Nach einer Flugrolle in den Graben hat sich als erstes das Heck mit der Anhängerkupplung in die schwedische Tundra gegraben. 2 Rollen weiter ist der Bus dann liegen geblieben. Unglaublich aber wahr: Ich habe nur ein paar kleine Kratzer an der rechten Hand und heute ein wenig Muskelkater. Kratzer hatte ich schon schlimmere wenn ich geschraubt habe.

Das Heck ist komplett verzogen. Treffer vorwiegend auf den Seiten, Heck und dem Dach. Wäre ich nicht angeschnallt gewesen wäre ich der Frontscheibe hinterher geschleudert worden. Den Rekord hat der Feuerlöscher geschafft. Dicht gefolgt von meiner Werkzeugkiste und dem Scheisshaus.

Glueck im Unglueck? Der Motor startet beim ersten Versuch und auch das Getriebe fuehlt sich noch gut an. Bremsen gehen auch noch und auch alle sonstigen Betriebesfluessigkeiten sind noch da wo sie hin gehören. Der Bus fährt also rein theoretisch noch. Er hat keine Treffer an der Unterseite abbekommen. Reparabel ist der Schaden an der Karosse leider nicht wirklich. Dann weiss ich ja was ich jetzt zu tun habe. In Schweden soll es nahezu rostfreie Buskarossen geben und mein Ersteindruck bestätigt das. Hier wird kein Salz gestreut weil sonst zum Beispiel Elche und Co auf die Strassen gehen wuerden um das Salz aufzulecken. Ausserdem ist es bei den Schneemassen hier im Winter schlichtweg Unfug.

Ein weiterer Ueberlebender. Kaum zu glauben. Nachdem ich alle Teile zusammen hatte musste ich lediglich das Display und das CD-Rom Laufwerk abschreiben. Der Laptop ansich funktioniert noch. Wenigstens etwas 😀


(Bild: Landzunge irgendwo bei Piteå)

Die Gegend hier lebt mit den ersten richtig warmen Sonnenstrahlen spürbar auf und so haben Katya und ich aus einer Laune heraus gegen Abend einen schönen Platz am See gesucht. Die Besitzer des Grundstücks hatten freundlicherweise nichts dagegen und nachdem wir lieb gefragt hatten machten wir es uns ein wenig direkt am Wasser bequem (Na – wer findet meinen Bus?). Die Gegend ist wirklich sehr abgelegen und außer einigen Möwen und Enten hörte man da nur das Eis knarren. Ein klein wenig Frieden bei 15°C.

Bis Freitag habe ich dann sowieso nicht viel zu tun außer meinen wichtigsten Kram aus Idas Wohnung zu schaffen. Sie hat ihren Schlüssel eingefordert den ihre Schwester scheinbar braucht wenn sie für einige Tage nicht da ist (und mal wieder auf Distanz geht und ihren Schlüssel dabei natürlich braucht). Tolle Wurst – habe ich mich die letzten Tage doch weitestgehend fern gehalten um ihr nicht auf den Zeiger zu gehen muss ich ja trotzdem noch irgendwo wohnen bis ich dann am 8. in das Studentenwohnheim umziehen kann. Natürlich gehe ich ihr auch auf den Zeiger wenn ich nicht da bin weil ich dann ja mit ihrer besten Freundin unterwegs bin. Das ganze erinnert mich an eine gewisse schlechte Soap mit einem Hausmeister namens Bernd.


(Bild: Museum mit Marktplatz in Piteå)

Heute war ich beim Jobcenter. Nachdem gestern schon geschlossen war (früher natürlich) bin ich heute nochmal hin. Dort habe ich erfahren dass sich hier eine Menge um eine persönliche Identifikationsnummer dreht, die man hier für fast alles benötigt. Das ist also eine Art Steuer- bis Sozialversicherungsnummer. Und die bekommt man zum Beispiel im Steuerbüro. Die Nummer setzt sich aus dem Geburtsdatum und (m)einer vierstelligen Zahl dahinter zusammen. Möchte ich hier arbeiten brauche ich diese Nummer. Ich brauche die Nummer ebenfalls um ein Bankkonto zu eröffnen. Dieses kostet erfreulicherweise mal fast garnichts, wie man mir mehrmals versicherte. Ich habe mich da gleich mal Schlau gemacht als ich mein phöses Falschparkerticket bezahlt habe. Also ab zum lokalen Steuerbüro, eine unscheinbare Treppe in den 1. Stock versteckt mitten auf der Haupteinkaufsstrasse “Storgatan”, um mich brav zu registrieren. Dort wurde mir erklärt dass die zuständige Person erst wieder am Freitag anwesend ist. Ich bin mir nicht sicher ob das die Regel ist doch weiß ich zufällig, dass zwischen dem 2. und 5. Mai alle Schweden ihre Steuererklärungen ausfüllen und abgeben müssen. Es könnte also auch einfach nur an einer viel beschäftigten Woche liegen. Termin ist auf jeden Fall im Handy gespeichert und zwei Broschüren zum Thema Steuern und Arbeiten in Schweden (auf Englisch) wollten unbedingt auch noch von mir mitgenommen werden. Jetzt wäre genau die richtige Zeit für ein ausgiebiges Frühstück.


(Bild: Wegweiser in Uppsala)

Piteå besteht aus unterschiedlichen Stadtteilen wie die meisten Städte eben. Dieser Teil hier ist aber besonders. Ich möchte nicht sagen abgehoben.. doch im Privatbesitz einer großen Firma um die sich hier alles dreht. Die Firma heißt PiteBo und ihr gehören hier so ziemlich alle Wohnungen. Um eine Wohnung zu mieten benötigt man hier allerdings nicht nur Geld sondern man muss “hier” auch schon drei Jahre wohnen. So richtig hier in der Stadt. Nun möchte ich natürlich keine drei Jahre unter einer Brücke wohnen bis ich mir dieses “Recht” erwerben kann. Nächster Anlaufpunkt ist das Touristikzentrum. Ich bin zwar nicht wirklich ein Tourist aber dort konnte man mir immerhin die Namen von zwei weiteren Agenturen sowie einen Computerauszug mit Privatvermietungen geben. Dazu gab es gratis eine Stadtkarte die ich auch gekauft hätte. Eine der Agenturen war direkt über dem Infozentrum und so habe ich gleich meinen Namen auf die Liste der Most Wanted gesetzt. Dann bin ich in den Stadtteil Holmen gefahren. Dort gibt es ein Studentenwohnheim. Zwar bin ich kein Student aber man hat sich entschlossen mir trotzdem zu helfen. Ich kann ab dem 8. Mai für 3,5 Wochen in einem der Studentenzimmer wohnen und dort zumindest mal meinen Kram bunkern und schlafen. Bad und Küche sind, wie man das so kennt, zentral und mit den anderen Bewohnern zu teilen. Der Spaß kostet allerdings auch so einiges und zwar satte 1750 SEK für ca. 16qm (Ich bekomme übrigens den Rest erstattet wenn ich wieder früher ausziehen). Am Ende des Monats sieht man dann weiter. Internetanschluss hat “mein Bau” dann leider auch nicht 🙁

..ist eine verdammte Kneipe mit Billardtisch. Dafür haben wir ICA (Supermarkt / Aldi-Derivat).

ICA hat jeden Tag von 8 bis 22 Uhr geöffnet.
Auch am Sonntag.
Auch an Feiertagen.
Bei Sturm oder Schnee.
Nur an Weihnachten wird mal etwas früher geschlossen.

Kein Wunder also dass sich die halbe Stadt hier zum Kaffee trifft. Oder?

Einige Menschen nehmen ihren Job wirklich zu ernst. Ich parke hier unerlaubterweise im Hof der Wohnsiedlung. Das interessiert ansich kein Schwein und ich störe auch niemanden da hier wirklich Platz ohne Ende ist aber irgendjemand hat sich trotzdem drüber aufgeregt und die Freundlichen gerufen. Nun fand ich heute morgen einen Strafzettel an meiner Windschutzscheibe vor. Übrigens genau neben meinem Zettel der sogar auf korrektem und freundlichen Schwedisch erklärt dass ich einen Parkplatz ab dem nächsten Monat gemietet habe und ich mich dafür entschuldige bis dahin hier frecherweise rumzuparken. Nun.. in 2 (in Worten: zwei) Tagen wäre es soweit gewesen. Das macht einmal 250 Kronen oder 25 Euro bitte. Und mit dem Betrag habe ich noch Glück. Ich habe das Ticket nun ebenfalls im Bus neben meinen Zettel gelegt und erwarte munter einen weiteren morgen früh um diesen dann ebenfalls dazu zu legen. Beamte sind halt doch überall gleich und ja ich weiß dass sie im Recht sind..

Trotzdem..

Bezahlen werde ich übrigens frühstens am 2. – bis dahin sind sowieso Feiertage und die Bank hat geschlossen.